Discussion:
Merkwürdige Fantasie-Version von Bachs Präludium Nr 1
(zu alt für eine Antwort)
H.-P. Schulz
2014-10-15 09:53:24 UTC
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Das Gehirn ist ein seltsamer Kasten ...

Ich selbst spiele nicht Klavier, habe aber einige Kenntnisse in Musik.

Jahrzehntelang war für mich klar, wie das Präludium No.1 (WTC) geht,
so habe ich es immer gesummt oder "innerlich" gehört, nämlich ...

im 6/4-Takt !!

und jede Phrase wird einmal wiederholt, d.h. immer zwei Halbtakte sind
gleich.

Die Vier-Sechzehntel-Gruppe, die ich in jeder Phrase dazugedacht
hatte, repetieren im wesentlichen die vier Sechzehntel davor - evtl.
manchmal eine Dreiklangsumkehrung oder Lagenänderung.

Statt 6/4 ist auch 3/4 Takt möglich, dann wäre die Phrasenwiederholung
ein extra Takt.

Ich hatte mich Jahrzehnte nicht ums WTC gekümmert, und als ich es dann
vor einiger Zeit wieder zu Ohren bekam - das Präludium No1
insbesondere -, dachte ich zuerst, ich höre nicht recht!
Na ja, habe mich inzwischen überzeugt, dass es tatsächlich *nicht* so
ist, wie ich es einst gewusst und "gehört" habe.

Es ist schon seltsam, wenn eine "Fehlschaltung" im Gehirn so krass
offenbar wird!
Nebenbei: Ich fände die 6/4-Version *viel* schöner! Das Alla-Breve
leiert! Vielleicht habe ich das schon damals unbewusst "korrigiert" -
aber seltsam ist es doch. Zumal ich mich in Werkanalyse schon doch
recht intensiv mit dem Stückchen zu befassen hatte!
Na, lang ist's her!
Kennt jemand einen ähnlichen Fall von verkehrter musikalischer
Erinnerung, die erst nach Jahrzehnten aufgeklärt wurde?
Walter Schmid
2014-10-15 12:45:48 UTC
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Post by H.-P. Schulz
Das Gehirn ist ein seltsamer Kasten ...
Ich selbst spiele nicht Klavier, habe aber einige Kenntnisse in Musik.
Jahrzehntelang war für mich klar, wie das Präludium No.1 (WTC) geht,
so habe ich es immer gesummt oder "innerlich" gehört, nämlich ...
im 6/4-Takt !!
Verstehe ich Dich richtig, dass 1/4 für Dich vier schnelle Noten
sind, also Sechzehntel?

Es sind 4/4 notiert, also 16 gleichlange Noten pro Takt.
Post by H.-P. Schulz
Kennt jemand einen ähnlichen Fall von verkehrter musikalischer
Erinnerung, die erst nach Jahrzehnten aufgeklärt wurde?
Nur vom Hören kenne ich solches nicht, ich hatte aber in meiner
Frühzeit Takte oft ganz falsch eingeteilt beim Selbstspielen,
weil ich nach ungenauem Einmalhören am Radio spielte, statt nach
Noten und Taktstrichen.

Bachs erstes Präludium ist ja etwas ganz Besonderes. Bach
variiert ja sonst immer, so dass kaum zwei Takte identisch sind,
während hier immer zwei Halbtakte identisch sind (ausser der Coda
natürlich). Der Mensch ist nun so veranlagt, dass er
Wiederholungen zusammenfassen /muss/, das geschieht sogar, wenn
ein Computer 1000 identische Trommelschläge produziert. Dass Du
also falsch zusammenfasstest, könnte auch daran liegen, dass es
Dir falsch zusammengefasst vorgetragen wurde - oder allzu
maschinenhaft regelmässig.

---

Etwas Aehnliches habe ich aber zufällig vor wenigen Tagen
erstmals erlebt, bei der Orgelsinfonie von Saint-Saens, deren
Noten ich zuvor nicht kannte:

http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/b/b5/IMSLP84213-PMLP50421-Saint-Saens_SymfoniNr3.pdf

Hier auf Seite 2 nach dem Doppelstrich hörte ich die Sechzehntel
bisher nie auftaktig, sondern /im/ Takt, also alles um ein
Sechzehntel nach rückwärts verschoben, d.h. die erste 1/16-Pause
habe ich nie gehört. (Cziffra spielte übrigens die erste
Chopin-Etude Op. 10,1 so, wie wenn sie derart notiert wäre.) Ich
hatte also SSs Partitur gehörmassig vereinfacht. Bei dem
schnellen Tempo scheint mir das unvermeidlich. Es würde mich
interessieren, wie das andere hören?

Gruss

Walter
--
Geschichtslehrer: James Cook umrundete die Erde dreimal per
Schiff. Auf einer seiner Reisen starb er. Auf welcher?
Schüler: Ich hab's gewusst, aber jetzt fällt es mir gerade nicht ein.
H.-P. Schulz
2014-10-15 13:23:24 UTC
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Am Wed, 15 Oct 2014 14:45:48 +0200 schrieb Walter Schmid
Post by Walter Schmid
Post by H.-P. Schulz
Das Gehirn ist ein seltsamer Kasten ...
Ich selbst spiele nicht Klavier, habe aber einige Kenntnisse in Musik.
Jahrzehntelang war für mich klar, wie das Präludium No.1 (WTC) geht,
so habe ich es immer gesummt oder "innerlich" gehört, nämlich ...
im 6/4-Takt !!
Verstehe ich Dich richtig, dass 1/4 für Dich vier schnelle Noten
sind, also Sechzehntel?
Es sind 4/4 notiert, also 16 gleichlange Noten pro Takt.
Es ist weniger das Metrum, um das es mir geht (das ist eine
Notationsfrage), als vielmehr darum, dass ich etwas *hinzugefügt*
habe. Eine Phrase umfasst bei "meiner" Version nicht acht (wie bei
Bach), sondern *zwölf* Sechzehntel! Diese zwölf Sechzehntel lasse ich
metrisch drei Viertel sein; da die Phrase wiederholt wird, kommen also
nochmal zwölf Sechzehntel (also drei Viertel) hinzu. Macht zusammen
sechs Viertel, also 6/4-Takt.
Post by Walter Schmid
Post by H.-P. Schulz
Kennt jemand einen ähnlichen Fall von verkehrter musikalischer
Erinnerung, die erst nach Jahrzehnten aufgeklärt wurde?
Nur vom Hören kenne ich solches nicht, ich hatte aber in meiner
Frühzeit Takte oft ganz falsch eingeteilt beim Selbstspielen,
weil ich nach ungenauem Einmalhören am Radio spielte, statt nach
Noten und Taktstrichen.
Ich habe seit je her Sachen nach Gehör notiert, rein der Übung wegen.
Habe dann oft den tatsächlichen Notentext verglichen, und gefunden,
dass Übung da wirklich was bewirkt. Später habe ich kaum noch etwas
anders notiert als das Original. (Es ging dabei freilich stets um
Melodielinien oder einfachen vierstimmigen Satz, nicht um
komplizierten Kontrapunkt!)
Post by Walter Schmid
Bachs erstes Präludium ist ja etwas ganz Besonderes. Bach
variiert ja sonst immer, so dass kaum zwei Takte identisch sind,
während hier immer zwei Halbtakte identisch sind (ausser der Coda
natürlich). Der Mensch ist nun so veranlagt, dass er
Wiederholungen zusammenfassen /muss/, das geschieht sogar, wenn
ein Computer 1000 identische Trommelschläge produziert. Dass Du
also falsch zusammenfasstest, könnte auch daran liegen, dass es
Dir falsch zusammengefasst vorgetragen wurde - oder allzu
maschinenhaft regelmässig.
---
Etwas Aehnliches habe ich aber zufällig vor wenigen Tagen
erstmals erlebt, bei der Orgelsinfonie von Saint-Saens, deren
http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/b/b5/IMSLP84213-PMLP50421-Saint-Saens_SymfoniNr3.pdf
Hier auf Seite 2 nach dem Doppelstrich hörte ich die Sechzehntel
bisher nie auftaktig, sondern /im/ Takt, also alles um ein
Sechzehntel nach rückwärts verschoben, d.h. die erste 1/16-Pause
habe ich nie gehört.
Och das ist ganz übliche romantische Metrumverschleierung. :)

Bei mir war die Schwierigkeit, das Metrum rauszukriegen, im
Schlusssatz, Buchstabe S (S.65ff), viel größer.
Das sind acht Viertel, die gespielt werden (eine wunderschöne Stelle
übrigens, mit den Klavieren dazu! Viel eindrucksvoller als das selbe
nochmal im Tutti hinterher!), aber das Metrum ist 9/4!! Also ein
Viertel "Abtakt" oder wie man das nennen will.
Walter Schmid
2014-10-15 14:53:56 UTC
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Post by H.-P. Schulz
Am Wed, 15 Oct 2014 14:45:48 +0200 schrieb Walter Schmid
Post by Walter Schmid
Post by H.-P. Schulz
Das Gehirn ist ein seltsamer Kasten ...
Ich selbst spiele nicht Klavier, habe aber einige Kenntnisse in Musik.
Jahrzehntelang war für mich klar, wie das Präludium No.1 (WTC) geht,
so habe ich es immer gesummt oder "innerlich" gehört, nämlich ...
im 6/4-Takt !!
Verstehe ich Dich richtig, dass 1/4 für Dich vier schnelle Noten
sind, also Sechzehntel?
Es sind 4/4 notiert, also 16 gleichlange Noten pro Takt.
Es ist weniger das Metrum, um das es mir geht (das ist eine
Notationsfrage), als vielmehr darum, dass ich etwas *hinzugefügt*
habe. Eine Phrase umfasst bei "meiner" Version nicht acht (wie bei
Bach), sondern *zwölf* Sechzehntel! Diese zwölf Sechzehntel lasse ich
metrisch drei Viertel sein; da die Phrase wiederholt wird, kommen also
nochmal zwölf Sechzehntel (also drei Viertel) hinzu. Macht zusammen
sechs Viertel, also 6/4-Takt.
Ich muss gestehen, dass ich das nicht nachvollziehen kann. Aber
ich könnte es auf Wunsch natürlich auch so spielen. :-)
Post by H.-P. Schulz
Post by Walter Schmid
Post by H.-P. Schulz
Kennt jemand einen ähnlichen Fall von verkehrter musikalischer
Erinnerung, die erst nach Jahrzehnten aufgeklärt wurde?
Ich habe noch 3 Beispiele:

In der dis-moll-Fuge von WTK I fasste ich das erste Viertel als
Auftakt, also als 4. Viertel auf. Beim 2. Einsatz (Takt 3) ist es
dann das 3. Viertel, d.h. Bach selbst weiss nicht, wohin mit dem
Thema im 4/4-Metrum.

In Beethovens Op. 109, hatte ich am Beginn die ersten zwei
Sechzehntel als Auftakt gespielt und gleichzeitig den ganzen
Auftakt (das erste Viertel des Werks) als Haupttakt.

Im 2. Stück des "Albums für die Jugend" von Schumann
"Soldatenmarsch" spielt wohl jeder den Rhythmus um 1/4
verschoben, dem der Lehrer nicht zuvor das Gegeneteil eingebläut hat.
Post by H.-P. Schulz
Post by Walter Schmid
Nur vom Hören kenne ich solches nicht, ich hatte aber in meiner
Frühzeit Takte oft ganz falsch eingeteilt beim Selbstspielen,
weil ich nach ungenauem Einmalhören am Radio spielte, statt nach
Noten und Taktstrichen.
Ich habe seit je her Sachen nach Gehör notiert, rein der Übung wegen.
Habe dann oft den tatsächlichen Notentext verglichen, und gefunden,
dass Übung da wirklich was bewirkt. Später habe ich kaum noch etwas
anders notiert als das Original. (Es ging dabei freilich stets um
Melodielinien oder einfachen vierstimmigen Satz, nicht um
komplizierten Kontrapunkt!)
Post by Walter Schmid
Bachs erstes Präludium ist ja etwas ganz Besonderes. Bach
variiert ja sonst immer, so dass kaum zwei Takte identisch sind,
während hier immer zwei Halbtakte identisch sind (ausser der Coda
natürlich). Der Mensch ist nun so veranlagt, dass er
Wiederholungen zusammenfassen /muss/, das geschieht sogar, wenn
ein Computer 1000 identische Trommelschläge produziert. Dass Du
also falsch zusammenfasstest, könnte auch daran liegen, dass es
Dir falsch zusammengefasst vorgetragen wurde - oder allzu
maschinenhaft regelmässig.
---
Etwas Aehnliches habe ich aber zufällig vor wenigen Tagen
erstmals erlebt, bei der Orgelsinfonie von Saint-Saens, deren
http://conquest.imslp.info/files/imglnks/usimg/b/b5/IMSLP84213-PMLP50421-Saint-Saens_SymfoniNr3.pdf
Hier auf Seite 2 nach dem Doppelstrich hörte ich die Sechzehntel
bisher nie auftaktig, sondern /im/ Takt, also alles um ein
Sechzehntel nach rückwärts verschoben, d.h. die erste 1/16-Pause
habe ich nie gehört.
Och das ist ganz übliche romantische Metrumverschleierung. :)
Bei mir war die Schwierigkeit, das Metrum rauszukriegen, im
Schlusssatz, Buchstabe S (S.65ff), viel größer.
Das sind acht Viertel, die gespielt werden (eine wunderschöne Stelle
übrigens, mit den Klavieren dazu! Viel eindrucksvoller als das selbe
nochmal im Tutti hinterher!), aber das Metrum ist 9/4!! Also ein
Viertel "Abtakt" oder wie man das nennen will.
Das Metrum wechselt zwischen 6/4 und 9/4. Ich höre da einfach
ganz problemlos 3/4. Ja, es ist die schönste Stelle. :-)

Gruss

Walter
--
Geschichtslehrer: James Cook umrundete die Erde dreimal per
Schiff. Auf einer seiner Reisen starb er. Auf welcher?
Schüler: Ich hab's gewusst, aber jetzt fällt es mir gerade nicht ein.
Walter Schmid
2014-10-15 14:57:24 UTC
Permalink
Post by H.-P. Schulz
Am Wed, 15 Oct 2014 14:45:48 +0200 schrieb Walter Schmid
Nachtrag: Lange gedauert hatte der Fehler aber nie - nur bis zur
nächsten Klavierstunde.

Gruss

Walter
--
Geschichtslehrer: James Cook umrundete die Erde dreimal per
Schiff. Auf einer seiner Reisen starb er. Auf welcher?
Schüler: Ich hab's gewusst, aber jetzt fällt es mir gerade nicht ein.
H.-P. Schulz
2014-10-15 17:43:20 UTC
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Am Wed, 15 Oct 2014 16:53:56 +0200 schrieb Walter Schmid
Post by Walter Schmid
Post by H.-P. Schulz
Am Wed, 15 Oct 2014 14:45:48 +0200 schrieb Walter Schmid
Post by Walter Schmid
Post by H.-P. Schulz
Das Gehirn ist ein seltsamer Kasten ...
Ich selbst spiele nicht Klavier, habe aber einige Kenntnisse in Musik.
Jahrzehntelang war für mich klar, wie das Präludium No.1 (WTC) geht,
so habe ich es immer gesummt oder "innerlich" gehört, nämlich ...
im 6/4-Takt !!
Verstehe ich Dich richtig, dass 1/4 für Dich vier schnelle Noten
sind, also Sechzehntel?
Es sind 4/4 notiert, also 16 gleichlange Noten pro Takt.
Es ist weniger das Metrum, um das es mir geht (das ist eine
Notationsfrage), als vielmehr darum, dass ich etwas *hinzugefügt*
habe. Eine Phrase umfasst bei "meiner" Version nicht acht (wie bei
Bach), sondern *zwölf* Sechzehntel! Diese zwölf Sechzehntel lasse ich
metrisch drei Viertel sein; da die Phrase wiederholt wird, kommen also
nochmal zwölf Sechzehntel (also drei Viertel) hinzu. Macht zusammen
sechs Viertel, also 6/4-Takt.
Ich muss gestehen, dass ich das nicht nachvollziehen kann.
Darum geht es mir ja gerade! Ich (mein krankes Hirn) habe da etwas
hinzu gebastelt, und zwar mit einer solchen Deutlichkeit und innerer
Logik, dass ich ganz tief unten immer noch nicht überzeugt bin, das
Präludium No.1 nicht *doch* in *dieser* Form kennen gelernt zu haben -
lang ist's her!
Andererseits *weiß* ich natürlich, dass das nicht sein *kann*!

Vielleicht ist das eher ein Fall für de.rec.gehirnmauke als einer für
drmk.
Post by Walter Schmid
Aber
ich könnte es auf Wunsch natürlich auch so spielen. :-)
Kannstes ja mal probieren und dann sagen, ob es nicht tatsächlich die
*bessere* Version wäre.
Post by Walter Schmid
Post by H.-P. Schulz
Bei mir war die Schwierigkeit, das Metrum rauszukriegen, im
Schlusssatz, Buchstabe S (S.65ff), viel größer.
Das sind acht Viertel, die gespielt werden (eine wunderschöne Stelle
übrigens, mit den Klavieren dazu! Viel eindrucksvoller als das selbe
nochmal im Tutti hinterher!), aber das Metrum ist 9/4!! Also ein
Viertel "Abtakt" oder wie man das nennen will.
Das Metrum wechselt zwischen 6/4 und 9/4. Ich höre da einfach
ganz problemlos 3/4. Ja, es ist die schönste Stelle. :-)
Na ja, ich finde immer, der gute S.-S. hat in der Dritten der Schönen
- um nicht zu sagen Schönsten - Stellen fast zu viele komponiert.
Aber, okay, das Stück *ist* auf Effekt und Glanz disponiert wie kaum
eines noch, da lassen wir dann mal "alles erlaubt" sein! ;-))
Walter Schmid
2014-10-15 19:31:51 UTC
Permalink
Post by H.-P. Schulz
Am Wed, 15 Oct 2014 16:53:56 +0200 schrieb Walter Schmid
Darum geht es mir ja gerade! Ich (mein krankes Hirn) habe da etwas
hinzu gebastelt, und zwar mit einer solchen Deutlichkeit und innerer
Logik, dass ich ganz tief unten immer noch nicht überzeugt bin, das
Präludium No.1 nicht *doch* in *dieser* Form kennen gelernt zu haben -
lang ist's her!
Andererseits *weiß* ich natürlich, dass das nicht sein *kann*!
Theoretisch kann es schon sein. Zufällig hörte ich gerade heute
Morgen am Radio dieses Präludium, gespielt von Till Fellner. Er
spielte es so regelmässig, dass man jedes beliebige Metrum hätte
hineinhören können. Wie ich schon sagte: ohne zu gruppieren
können wir regelmässige Klänge gar nicht hören. Falsch zu
gruppieren ist deshalb nicht so absurd, wie es zuerst erscheint.
Post by H.-P. Schulz
Vielleicht ist das eher ein Fall für de.rec.gehirnmauke als einer für
drmk.
Post by Walter Schmid
Aber
ich könnte es auf Wunsch natürlich auch so spielen. :-)
Kannstes ja mal probieren und dann sagen, ob es nicht tatsächlich die
*bessere* Version wäre.
Ich habe es jetzt mal probiert. Das geht ganz gut.

Dazu fällt mir noch etwas anderes ein: Ich spielte meinem Vater
einmal ein Stück mit Sechzehnteln im 6/8-Takt in Triolen im 2/4
Takt vor, und fragte ihn dann, ob er einen Unterschied gehört
habe. Er verneinte. Ich hatte das Metrum natürlich nicht speziell
betont, eher nur gedacht. Man muss ein Metrum also betonen, damit
es garantiert nicht falsch aufgefasst wird.

Gruss

Walter
--
Geschichtslehrer: James Cook umrundete die Erde dreimal per
Schiff. Auf einer seiner Reisen starb er. Auf welcher?
Schüler: Ich hab's gewusst, aber jetzt fällt es mir gerade nicht ein.
Arno Schuh
2014-10-15 17:49:41 UTC
Permalink
Hi,

etwas ähnliches ist mir damals passiert, als ich "Jesus bleibet meine
Freude" aus der Kantate BWV 147 "Herz und Mund und Tat und Leben" in der
ersten Aufnahme mit Nikolaus Harnoncourt hörte.
Das ist, glaube ich, im 9/12 Takt. In dieser Aufnahme hörte ich zum
erstenmal die 12tel hintereinander weg. In den anderen Aufnahmen waren sie
immer mehr oder weniger gruppiert.

Und wo mir solche Dinge auch immer wieder auffallen sind einerseits beim
Hören wenn Anfänger ein Stück spielen bzw. Leute, die ein Stück noch nie
zuvor, also in der Interpretation eines anderen, gehört haben. Hier
Letzteres insbesondere, wenn z. B. Interpreten klassischer Musik (als Zugabe
etc.) Pop-Musik, Film-Musik usw. spielen. Sie spielen dann oft sklavisch das
Arrangement - das sich wiederum so anhört, als ob der Arrangeur das Stück
auch noch nie gehört, sondern nur von den Noten her bearbeitet hat.
Außerdem fallen mir solche Dinge häufig beim Hören von MIDI-Dateien auf. Da
laufen, falls die MIDI nicht intensiv bearbeitet wurde, auch alle Noten
gleich, mit gleicher Intensität, gleicher Geschwindigkeit usw. ab. Das wirft
oft ein ganz anderes Bild auf eine Komposition, entlarvt ihre Stärken oder
Schwächen bzw. die Stärken und Schwächen eines lebendigen Interpreten des
gleichen Stüks.

Freundliche Grüße

Arno
H.-P. Schulz
2014-10-15 18:52:08 UTC
Permalink
Am Wed, 15 Oct 2014 19:49:41 +0200 schrieb "Arno Schuh"
Post by Arno Schuh
etwas ähnliches ist mir damals passiert, als ich "Jesus bleibet meine
Freude" aus der Kantate BWV 147 "Herz und Mund und Tat und Leben" in der
ersten Aufnahme mit Nikolaus Harnoncourt hörte.
Das ist, glaube ich, im 9/12 Takt.
Du meinst 9/8. Sowas wie 9/12 gibt es (zumindest in der
abendländischen Musik) nicht. ;-)
Post by Arno Schuh
In dieser Aufnahme hörte ich zum
erstenmal die 12tel hintereinander weg. In den anderen Aufnahmen waren sie
immer mehr oder weniger gruppiert.
Also, Bach schreibt "3/4" vor, und dann sind das Achteltriolen.
Besser hätte er es als 9/8 ("tactus perf. cum prolat. perfect." nach
der alten Mensur) gesetzt. Aber es gab wahrscheinlich praktische
Gründe (Bach war ja immer sehr praxisorientiert), es 3/4 sein zu
lassen.

Das mit der Gruppierung ist von Interpret zu Interpret
unterschiedlich. Ich persönlich bin auch kein Freund allzu deutlicher
Gruppierung, zumal bei Bach und Früheren. Aus der Melodie ergibt sich
schon Gruppierung genug, da muss nicht auch noch so doll geklopft
werden. Das kommt sonst ins Leiern, wo es ohne eine freundliche,
wallige Fließbewegung ist.
Sam Sung
2014-10-17 00:26:22 UTC
Permalink
Post by Arno Schuh
Hi,
etwas ähnliches ist mir damals passiert, als ich "Jesus bleibet meine
Freude" aus der Kantate BWV 147 "Herz und Mund und Tat und Leben" in der
ersten Aufnahme mit Nikolaus Harnoncourt hörte.
Das ist, glaube ich, im 9/12 Takt. In dieser Aufnahme hörte ich zum
erstenmal die 12tel hintereinander weg. In den anderen Aufnahmen waren sie
immer mehr oder weniger gruppiert.
Das ist noch besser als wenn man dann Schumanns Unvollendete rhythmisch
verstehen kann - nach Noten - nicht nur nach Dirigent ;)
Post by Arno Schuh
Und wo mir solche Dinge auch immer wieder auffallen sind einerseits beim
Hören wenn Anfänger ein Stück spielen bzw. Leute, die ein Stück noch nie
zuvor, also in der Interpretation eines anderen, gehört haben. Hier
Letzteres insbesondere, wenn z. B. Interpreten klassischer Musik (als Zugabe
etc.) Pop-Musik, Film-Musik usw. spielen. Sie spielen dann oft sklavisch das
Arrangement - das sich wiederum so anhört, als ob der Arrangeur das Stück
auch noch nie gehört, sondern nur von den Noten her bearbeitet hat.
Na klar, Leben, also Erfahrung sammeln, braucht Zeit und braucht dazu auch
noch gelegentlich ausreichend gut funktionierenden Kontakt zur Umwelt...
Post by Arno Schuh
Außerdem fallen mir solche Dinge häufig beim Hören von MIDI-Dateien auf. Da
laufen, falls die MIDI nicht intensiv bearbeitet wurde, auch alle Noten
gleich, mit gleicher Intensität, gleicher Geschwindigkeit usw. ab. Das wirft
oft ein ganz anderes Bild auf eine Komposition, entlarvt ihre Stärken oder
Schwächen bzw. die Stärken und Schwächen eines lebendigen Interpreten des
gleichen Stüks.
Freundliche Grüße
Arno
Das läuft vielleicht alles auf Befreiung hinaus - heute sagt man einfach,
dass die Spezies eben kein echtes Multitasking kann. Aber es gibt eben
daneben auch Leute, die richtig gut Orgel spielen können...

Gottseidank, irknwas geht dann doch immer noch mal ;)
Arno Schuh
2014-10-17 14:33:18 UTC
Permalink
Sam Sung <***@mail.invalid> wrote:
man
einfach, dass die Spezies eben kein echtes Multitasking kann. Aber es
gibt eben daneben auch Leute, die richtig gut Orgel spielen können...
In dem Zusammenhang und abgesehen von MIDI: Das Spielen von Stücken auf
anderen als den gewohnten Instrumenten wirft auch oft ein ganz anderes Licht
auf eine Komposition.
Ich hätte nie gedacht, dass so etwas wie Chopins Etüden auf Orgel
funktionieren könnten. Die Überraschung war groß, als ich so was das
erstemal hörte, gespielt von Marie-Madeleine Durufle. Die Ähnlichkeit mit
den typischen französischen Orgel-Toccaten ist verblüffend.
Aber auch andere romantische Klavierstücke, Schumann, Grieg usw., wo ich
zuvor gedacht habe, so etwas klingt nur auf dem Klavier und seinen
Möglichkeiten, funktionieren auf der Orgel - und werfen ein ganz anderes
Licht auf die Komposition.
Bei Bach ist das nicht so verwunderlich, obwohl auch hier z. B. im WTK
einige Präludien und Fugen sich so anhören, als ob sie eher für Orgel als
für Cembalo oder Clavichord geschrieben wurden.

Freundliche Grüße

Arno
Sam Sung
2015-05-20 22:37:23 UTC
Permalink
Post by Arno Schuh
man
einfach, dass die Spezies eben kein echtes Multitasking kann. Aber es
gibt eben daneben auch Leute, die richtig gut Orgel spielen können...
In dem Zusammenhang und abgesehen von MIDI: Das Spielen von Stücken auf
anderen als den gewohnten Instrumenten wirft auch oft ein ganz anderes Licht
auf eine Komposition.
Ich hätte nie gedacht, dass so etwas wie Chopins Etüden auf Orgel
funktionieren könnten. Die Überraschung war groß, als ich so was das
erstemal hörte, gespielt von Marie-Madeleine Durufle. Die Ähnlichkeit mit
den typischen französischen Orgel-Toccaten ist verblüffend.
Aber auch andere romantische Klavierstücke, Schumann, Grieg usw., wo ich
zuvor gedacht habe, so etwas klingt nur auf dem Klavier und seinen
Möglichkeiten, funktionieren auf der Orgel - und werfen ein ganz anderes
Licht auf die Komposition.
Bei Bach ist das nicht so verwunderlich, obwohl auch hier z. B. im WTK
einige Präludien und Fugen sich so anhören, als ob sie eher für Orgel als
für Cembalo oder Clavichord geschrieben wurden.
Freundliche Grüße
Danke
Post by Arno Schuh
Arno
Gruss


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